Rotkielchen Blog: Reden wir über Geld!


Moin Moin

Gestern war der erste Mai, der Tag der Arbeiterbewegung und deshalb möchte ich über Gehalt und Tarifbindung reden. Die Idee ist in den letzten Tagen gewachsen, seitdem ein guter Freund von mir, nennen wir ihn Martin, mir erzählt hat, was man als gelernter Kaufmann im Einzelhandel so verdient. Aber dazu später mehr.

Während der Corona-Pandemie haben wir als Gesellschaft sehr viel darüber gesprochen, wie wir unsere Helden des Alltags bezahlen und haben meist über Pflegefachkräfte und den Rettungsdienst ge- sprochen und es stimmt: Soziale Arbeit ist deutlich unterfinanziert und es ist erfreulich, dass die Ampel da mit einer Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags und einer Änderung der Krankenhausfinanzierung rangeht. Auch die Entscheidung der Kieler Ratsversammlung die Servicekräfte wieder nach TVÖD zu bezahlen ist goldrichtig, aber das soll nicht mein heutiges Thema sein. Ich möchte über zwei andere Berufsgruppen sprechen: Die Kundenberater in den Callcentern und den bereits erwähnten Einzelhandel.

Das Callcenter Fangen wir mit dem Callcenter an, da ich selbst für knapp zwei Jahre als Kundenberater gearbeitet habe. Egal ob es um den Handyvertrag, die Bestellung bei Amazon oder den Rundfunkbeitrag geht, irgendwann muss jeder Mal im Callcenter anrufen.

Bis auf bei der Telekom direkt gibt es keine Callcenter bei denen Tarifverträge gelten. Ich habe als Ungelernter den Mindestlohn bekommen und hab den auch nur mit ausreichenden Verkaufserfolgen erreicht. Ohne Provision wäre man sogar unter dem Mindestlohn von damals 8,84 € gelandet. Mein Unternehmen die Capita hat es den Mitarbeitern zwar ermöglicht auch einen Abschluss als Kaufmann für Dialogmarketing zu machen, die Kollegen mit diesem Abschluss haben aber auch nicht mehr Geld gesehen. Brachte einem also nur was, wenn man noch einen Handelswirt nachlegen oder als Projekt- supporter (PS) aufsteigen wollte. Wobei sich das eigentlich auch kaum gelohnt hat, denn ein PS hat nur ca. 250 € mehr und ein Teamleiter so bis 400 € mehr als der Kundenberater gesehen. Und dann war es ja auch nicht mehr möglich selbst Vertriebserfolge zu erzielen, je nach Verkaufsgeschick, hat man also am Ende weniger verdient.

Ach ja, als reines Vertriebsprojekt hätten wir auch nach geltender Rechtslage weder an Sonn- oder Feiertagen arbeiten dürfen, dennoch hatten wir da auf, das macht nämlich jedes Callcenter so. Und um den Bogen zur Tarifbindung zu schlagen, muss ich nochmal ergänzen, dass der Organisationsgrad leider sehr niedrig ist in den Callcentern. Also wenn ihr im Callcenter arbeitet, werdet Mitglied in einer Gewerkschaft und kämpft für bessere Löhne!

Der Einzelhandel

Lebensmittel braucht wirklich jeder, aber auch sonst ist der Einzelhandel der Ort, wo wir am Meisten mit unserer Wirtschaft in Berührung kommen. Im Durschnitt beträgt der Anteil von Haushaltsausgaben im Einzelhandel 35 %. (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/161796/umfrage/einzelhandel- sumsatz). Die Menschen, die diese Menge an Geld umsetzen, sollten daher also auch anständig bezahlt werden, oder?

Ich habe als Schüler selbst bei der REWE an der Kasse gesessen und ganz ehrlich, im Einzelhandel kann man es nicht besser als die REWE erwischen, denn von den ca. 28 % Beschäftigten, die im Einzelhandel von einem Tarifvertrag profitieren ist die REWE das der größte Arbeitgeber, wo ein Tarifvertrag gilt. Siehe: https://handel.verdi.de/themen/tarifpolitik/ave/++co++281b67b0-885d-11ea-8306- 001a4a160100 und https://einzelhandel.de/tarifbindung

Kommen wir aber nun zu Martin. Er ist wie gesagt Kaufmann im Einzelhandel und hat die letzten Jahre fast durchgängig für die REWE gearbeitet, zwischenzeitlich auch als stellvertretender Marktleiter. Nach einem Umzug ins Kieler Umland weg aus Hamburg musste er zuerst seine Stundenzahl reduzieren, da eine Versetzung leider nicht möglich war und man ja irgendwie die 3 Stunden Fahrzeit pro Tag nach Hamburg unterbringen musste. Sein Stundenlohn lag da aber gem. Tarifvertrag immerhin noch bei ca. 17 €. Ja, da schluckt man schon, aber das ist noch nicht alles, denn inzwischen arbeitet er dort nicht mehr, sondern bei einem deutschlandweit vertretenen Bioladen. Und nein, dort gilt natürlich kein Ta- rifvertrag. Ebenso wenig bei ALDI, EDEKA (Marktführer), oder LIDL. Auch hier ist Martin wieder stell- vertretender Marktleiter. Und was denkt ihr zahlt ihm der ethisch wertvolle Bioladen mit Mondpreisen? Lausige 13,50 €. Und ja, genauso wie ihr guckt musste ich auch gucken. Da macht man drei Jahre eine Ausbildung, muss es aushalten, dass Kunden ungewaschen und stinkend durch den Laden laufen und am Ende sieht man nur 1,50 € mehr als der ab Oktober geltende Mindestlohn von 12 €.

Deshalb ist es wichtig, dass wir alle uns entscheiden, wo wir einkaufen und geMAInsam auf die Straße gehen und in den Gewerkschaften für faire Löhne streiten. Und wenn ihr selbst noch nicht in der Gewerkschaft seid, dann tretet jetzt ein!

Solidarische Grüße, Lorenz!

P.S.: Liebe REWE, falls ihr doch noch jemanden mit Berufserfahrung in Kiel und Umgebung sucht, meldet euch bei mir, ich stelle den Kontakt gerne wieder her.