Am Sonntag wurde der Vorsitzende der Belarusischen Sozialdemokratischen Partei (BSDP) Ihar Barysaŭ verhaftet. Er befand sich auf dem Heimweg mit seiner Frau und seiner Tochter, als ihr Auto angehalten wurde und er von maskierten, in zivil gekleideten Sicherheitskräften festgenommen wurde. Anschließend wurde er in das berüchtigte Foltergefängnis von Okrestina gebracht. Gestern dann wurde Barysaŭ wegen „Widerstands gegen die Staatsgewalt“ zu 15 Tagen Haft verurteilt. Wie ähnliche Fälle zeigen, ist es leider nicht auszuschließen, dass seine Strafe verlängert wird.
Gesine Stück, Kreisvorsitzende der SPD Kiel:
„Ich bin erschüttert. Ich habe Ihar Barysaŭ bei einer Online-Veranstaltung im November persönlich kennengelernt. Ihar hat uns und den schwedischen Sozialdemokraten von der Situation in Belarus erzählt. Ihar war zu der Zeit schon der letzte aus seinem Vorstand in Freiheit. Ich weiß noch, wie ihn alle für seinen Mut bewundert haben. Die Kieler SPD wird sich auf allen Ebenen für seine Freilassung einsetzen.“
Mathias Stein, Kieler Bundestagsabgeordneter:
„Ich verurteile die Verhaftung von Ihar Barysaŭ aufs Schärfste und fordere seine sofortige Freilassung. Die Achtung der Menschenrechte, freie Wahlen und Rechtsstaatlichkeit sind die Grundpfeiler der Demokratie. Diese werden in Belarus mit Füßen getreten. Dieser neue Fall einer politisch motivierten Festnahme bestärkt mich in meinem Engagement für die Opposition in Belarus. Um die Aufmerksamkeit für das Schicksal der Menschen dort zu erhöhen, haben viele Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion im Rahmen der Initiative #WeStandBYyou eine Patenschaft für politische Gefangene übernommen. Der Aktivist, dessen Pate ich bin, wurde nach monatelanger Untersuchungshaft zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt, nur, weil er angeblich an einer nicht genehmigten Kundgebung teilgenommen hat. Dieses Unrecht muss beendet werden. Als SPD-Bundestagsfraktion haben wir daher bereits Ende des vergangenen Jahres gemeinsam mit der CDU/CSU-Fraktion sowie der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag im Deutschen Bundestag verabschiedet, in dem wir die Freilassung der politischen Gefangenen, freie und faire Neuwahlen, die Stärkung der Zivilgesellschaft und eine Verfassungsreform fordern. Um staatlicher Willkür in Belarus etwas entgegenzusetzen, treibt Bundesaußenminister Heiko Maas zudem einen Dokumentationsmechanismus bezüglich schwerer Menschenrechtsverletzungen in Belarus voran. Damit soll auch eine künftige Strafverfolgung ermöglicht werden.“
Delara Burkhardt, SPD-Europaabgeordnete aus Kiel:
„Die Belarusische Regierung tritt die Rechtsstaatsprinzipien mit Füßen. Die Verhaftung von Ihar Barysaŭ reiht sich ein in die Reihe willkürlicher und politisch motivierter Verhaftungen von Unschuldigen. Laut der Menschenrechtsorganisation Viasna beträgt die Anzahl politischer Gefangener in Belarus nunmehr 288. Als Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten dürfen wir das nicht weiter hinnehmen. Das belarusische Regime missachtet mit seinem absolut inakzeptablen Vorgehen grundlegende Menschenrechte und demokratische Werte. Dazu müssen wir jetzt entschlossen reagieren, denn die bisherigen Sanktionen scheinen bei Lukaschenko und der Elite, die ihn trägt, noch zu keinerlei Reaktionen zu führen. Jede Person, die Teil des Repressionsapparats ist, muss von uns zielgerichtet ins Visier genommen werden. Wir müssen der friedlichen Opposition in Belarus ohne Kompromisse zur Seite stehen!“
Hintergrund
Die Verhaftung steht nach Einschätzung aller unabhängigen Beobachter*innen im direkten Zusammenhang damit, dass Ihar Barysaŭ sich um eine Genehmigung für Demonstrationen zum „Tag der Freiheit“ am 25.03. bemüht hat. Er kann sich nun nicht länger an den Demonstrationen beteiligen und diese mitorganisieren. Am „Tag der Freiheit“ werden in Belarus traditionell Großdemonstrationen abgehalten. Dieses Jahr bekommt der Tag zusätzliche Brisanz, da die Demokratiebewegung angekündigt hat, möglichst große Proteste abhalten und an die Massendemonstrationen im vergangenen Jahr anknüpfen zu wollen, um den Druck auf das Regime Alexander Lukaschenkos wieder zu erhöhen.
Schreibvarianten beim Adjektiv
Um den Unterschied zwischen Belarus und der Russischen Föderation (Russland) deutlich zu machen, wird heute in manchen Fällen die Schreibung belarussisch gegenüber belarusisch bevorzugt. Die Schreibweise mit einem s zeigt dabei auch einen Unterschied in der Aussprache an. Es geht um die Länge des Vokals: Mit Doppel-s wird das u kurz gesprochen und das s stimmlos wie in russisch. Die Variante mit einfachem s signalisiert ein langes u und ein stimmhaftes s (wie in musisch).
aus: https://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/%E2%80%9EBelarussisch%E2%80%9C-oder-%E2%80%9Ebelarusisch%E2%80%9C