Das Seniorenticket zum Solidaritätsticket weiterentwickeln


A: Das Seniorenticket zum Solidaritätsticket weiterentwickeln

Die Ratsversammlung sieht im Kieler Seniorenticket eine wichtige Grundlage, um Mobilität für ältere Menschen in Kiel zu gewährleisten. Aufgrund der erfolgreichen Einführung soll es um eine Ermäßigung erweitert werden, sodass es noch besser für ältere Menschen mit geringem Einkommen geeignet ist.

Die Ratsversammlung bittet daher den Oberbürgermeister darum, folgende Schritte zu prüfen und einzuleiten. Bei zureichenden Prüfergebnissen der ersten vier Schritte wird die in Schritt 5 vorgesehene Änderung des Seniorentickets durchgeführt:

1. Der Oberbürgermeister wirbt noch einmal auf Landesebene für ein landesweites Seniorenticket – nach Möglichkeit inklusive einer Ermäßigung für ältere Menschen mit geringem Einkommen.
Sollte dies weiterhin nicht absehbar sein, soll das Kieler Seniorenticket weiterentwickelt werden.

2. Mit den betroffenen Verkehrsunternehmen sowie den landesweiten Verbünden soll analog zum Seniorenticket ein Einvernehmen hergestellt werden, in der gemeinsamen Tarifstruktur auch ein „ermäßigtes Seniorenticket“ für Kielerinnen und Kieler anzubieten.

3. Mit der KVG wird ein einfaches Verfahren erarbeitet, wie Antragstellerinnen und Antragsteller für ein Seniorenticket eine Ermäßigung beantragen können.
Die Prüfung der Berechtigung erfolgt auf städtischer Seite, sodass für die KVG kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entsteht.

4. Es wird geprüft, in welchem Maße zusätzliche Personalkosten durch zusätzliche Seniorenpass-Prüfungen bzw. das Antragsverfahren mit der KVG entstehen. Ein Finanzierungsplan wird erstellt, bei dem die Überschüsse des Seniorentickets zur Finanzierung des zusätzlichen Personalaufwands in der Leitstelle „Älter werden“ genutzt werden sollen.

5. Auf Grundlage der absehbaren Fortsetzung des Seniorentickets nach dem Probezeitraum (März 2017 bis Februar 2019) wird frühestmöglich eine zweijährige Testphase für das ermäßigte Seniorenticket begonnen.
Der Rabatt für das ermäßigte Seniorenticket soll 80% (anstelle von 25%) betragen. Ermäßigungsberechtigt sind die Inhaberinnen und Inhaber des Seniorenpasses der Landeshauptstadt Kiel.

B: Den Einstieg in das 1-Euro-Ticket wagen

Vor dem Hintergrund zentraler Ziele wie Klimaschutz, Reduzierung von Lärm und Luftverschmutzung, und soziale Gerechtigkeit ist es erforderlich, den ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) gegenüber dem MIV (Motorisierter Individual-Verkehr) zu stärken.

Deshalb fordert die Ratsversammlung die Verwaltung auf, das Kieler Tarifsystem des ÖPNV stark zu vereinfachen und sozial für alle gesellschaftlichen Gruppen gerecht nach folgendem Modell aufzustellen:

Der Einzelfahrschein kostet 1 Euro (Kinder bis zum 6. Geburtstag in Begleitung einer Vollzahlerin bzw. eines Vollzahlers: frei); allgemeine und personengebundene Monatskarte: 30 Euro, Schülerinnen/Schüler/Auszubildende und Kielpassbesitzerinnen und -besitzer zahlen 15 Euro. Eine Tageskarte: gibt es für 5 Euro. Zum Zeitpunkt der Einführung schon günstigere Tarife wie das Semesterticket oder das ermäßigte Seniorenticket bleiben erhalten.

Da das neue Tarifsystem im Laufe des Jahres 2019 eingeführt werden soll, bittet die Ratsversammlung den Oberbürgermeister, eine entsprechende Beschlussvorlage bis spätestens Mai 2019 vorzulegen. Davor sind zunächst folgende Schritte auszuführen:

1. Der Oberbürgermeister stellt die zu erwartenden gesamten Kosten, den daraus erfolgenden Zuschussbedarf und entsprechende Gegenfinanzierungsmöglichkeiten bis Juni/September 2018 dar. Dabei sind Förderprogramme von EU/Bund/Land besonders zu berücksichtigen.

2. Parallel wirbt der Oberbürgermeister auf Landesebene für eine Vereinfachung der Nahverkehrstarife und verhandelt mit der NSH Nahverkehr Schleswig-Holstein über die gewünschte weitere Beteiligung am NAH.SH-Tarif.

3. Ein Probezeitraum von 10 Jahren mit einer Entfristungsmöglichkeit wird vereinbart.

Ferner wird der Oberbürgermeister aufgefordert, sich parallel dazu auf Bundes- und Landesebene für eine Förderung des ÖPNV-Ausbaus stark zu machen – sowohl quantitativ als auch hinsichtlich der Förderung von schienengebundenem Nahverkehr.

C: Kostenloser Nahverkehr als Modellstadt auch in Kiel

Der Oberbürgermeister wird aufgefordert, sich im Rahmen der Maßnahmen des Bundes für saubere Luft in deutschen Städten dafür einzusetzen, dass Kiel als sechste Modellstadt für einen kostenlosen Nahverkehr berücksichtigt wird.

zu A: Das Seniorenticket zum Solidaritätsticket weiterentwickeln

Situation:

Die Einführung eines Kieler Seniorentickets auf Grundlage der Beschlüsse der Ratsver-sammlung (Drucksachen 1014/2015 und 0891/2016) ist ein Erfolg für mehr Mobilität im Alter – mehr als 1000 Kielerinnen und Kieler über 65 Jahren nutzen das Angebot.

Das Seniorenticket kostet derzeit im Monat 37,13 € und ist damit 25% günstiger als das normale Monatsticket im Abo (49,50 €).

Die angestrebte Finanzierung des Seniorentickets aus zusätzlichen Verkäufen ist mehr als erfolgreich, denn das Verhältnis der neu abgeschlossenen Seniorentickets gegenüber Um-wandlungen eines bestehenden Monatstickets in ein Seniorenticket fällt seit Anfang an deut-lich besser aus als benötigt: Stand Dezember 2017 wurden 1.125 Abos abgeschlossen, davon 531 Wechsel (Einnahmeverluste: 6.568 €) und 594 Neuanträge (Zusatzeinnahmen: 22.055 €). Für die Finanzierung wäre lediglich ein Verhältnis von 3 Wechseln auf einen Neuantrag notwendig gewesen.

Stand Dezember 2017 erhalten in Kiel 2.937 Menschen Grundsicherung im Alter, davon sind 209 in vollstationären Einrichtungen. Insgesamt 650 Personen sind Inhaberinnen und Inhaber des Seniorenpasses, der von der Landeshauptstadt Kiel für ältere Menschen mit geringem Einkommen ausgegeben wird.

Im Rahmen der Grundsicherung im Alter sind monatlich 34,08 € für die Abteilung 07 „Ver-kehr“ vorgesehen; dies fließt in den Regelsatz von 409 € ein.

Ziel:
Das Seniorenticket soll so weiterentwickelt werden, dass es ein echtes Solidaritätsticket wird und mit einem ermäßigten Seniorenticket ältere Menschen mit geringem Einkommen am Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) teilhaben können. Diese Gruppe ist in besonde-rem Maße auf den ÖPNV angewiesen, da sie keine Alternativen haben – dauerhaft im eige-nen Stadtteil wohnen zu bleiben, wenn dieser am Rand von Kiel liegt, ist nur unter großen Einschränkungen möglich.

Für diese Gruppe soll das Seniorenticket in einem Maße ermäßigt werden, dass es auch tatsächlich realistisch genutzt werden kann.

Vorschlag:
Das Seniorenticket soll für ältere Menschen mit geringem Einkommen mit einem Rabatt von 80% angeboten werden. Die monatlichen Kosten sinken damit auf 9,90 €, was in etwa dem monatlichen Preis des Kieler Semestertickets entspricht.

Da durch den Seniorenpass eine etablierte Prüfung der Bedürftigkeit vorhanden ist, soll die-ses Kriterium für die Berechtigung eines ermäßigten Seniorentickets herangezogen werden. Eventuelle zusätzliche Personalkosten sollen durch die Überschüsse des Seniorentickets finanziert werden: Durch die Mehreinnahmen des Seniorentickets (s.o. und unter Berücksich-tigung des Fahreinnahmepoolings: mind. 12.500 €) sowie Mehrverkäufe eines ermäßigten Seniorentickets können notwendige zusätzliche Personalkosten (ca. 15.000 € bis 20.000 €) gegenfinanziert werden.

Das ermäßigte Seniorenticket soll zwei Jahre lang erprobt werden und auch dauerhaft durch die Mehreinnahmen finanziert werden.

Vorteile:
Die Mobilität im Alter könnte für alle bezahlbar sein – auch für Menschen in Altersarmut.
Das Seniorenticket wäre ein echtes Solidaritätsticket, bei dem die Seniorinnen und Senioren untereinander die beiden Rabattstufen finanzieren.

Das Angebot eines ermäßigten Seniorentickets wäre diskriminierungsfrei – im Bus sieht man der Person nicht an, zu welchem Preis sie das Seniorenticket erworben hat.

Das ermäßigte Seniorenticket kann dazu führen, dass sich mehr Menschen als bisher für den Seniorenpass registrieren – insbesondere auch jene, die nicht Grundsicherung im Alter erhalten können oder wollen. Die könnten auf diesem Wege besser und gezielter über weitere Unterstützungsangebote und Teilhabemöglichkeiten informiert werden. Denn gerade die Identifizierung und Ansprache von Menschen in Altersarmut ist nur sehr aufwendig möglich.

Kostenrisiko:
Der erhöhte Aufwand der Prüfung soll im Wesentlichen durch die Überschüsse des Senio-rentickets finanziert werden.

Das Risiko der zusätzlichen Personalkosten läge für die zwei Probejahre bei jeweils bis zu 20.000 €. Diese müssten im Probezeitraum im Haushalt der Landeshauptstadt Kiel als mög-liche Ausgaben berücksichtigt werden. Diese Summe entspräche gerade mal einem Zehntel des nicht in Anspruch genommenen Risikoausgleichs für das Seniorenticket.

Zu B: Den Einstieg in das 1-Euro-Ticket wagen

Je mehr Menschen den ÖPNV nutzen, desto besser wird unser Stadtklima, die Naherholung in der Stadt, die Freiräume zu ungefährdetem Aufenthalt im Freien. Außerdem fördern wir dadurch den sozialen Zusammenhalt in der Kommune und unterstützen alle Menschen in ihren Mobilitätsmöglichkeiten.

Dem Grundsatz nach ist es nicht zu verstehen, warum die sozialen Sicherungssysteme fi-nanzielle Unterscheidungen bei Gleichaltrigen machen: So stehen einem 17-jährigen Men-schen nach SGBII/XII 316 Euro zur Verfügung, ein Unterhalt beziehender Mensch gleichen Alters hat nach Düsseldorfer Tabelle Anspruch auf 467 Euro (jeweils zuzüglich Miete).

Gleiche Kosten müssen Familien mit Kindern, aber auch Alleinstehende in Ansatz bringen. Deshalb ist es nur fair, Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen weitestgehend el-ternunabhängig die Teilnahme am ÖPNV zu einem ähnlichen Preis zu ermöglichen.

Für die Normal-Fahrkarten gilt, dass sie günstiger über die Entfernung sein sollten als ein PKW in der Stadt. Bei 0 bis 5 Kilometern Entfernung lohnt es sich derzeit, mit einer Person in einem Kombi der unteren Mittelklasse in die Stadt zu fahren: Der ADAC setzt zwischen 40 und 50 Cent Kosten je Kilometer an. Fährt eine vierköpfige Familie 5 km mit dem Bus, so zahlt sie heute zwischen 5,80 bis 8,20 Euro, im PKW nur 2.50 Euro.

Gegenüber dem aktuell gültigen System haben zudem alle Kieler Bürgerinnen und Bürger, ob jung ob alt, Vorteile. So entsteht ein generationsgerechtes, sozial ausgewogenes System für alle Nutzerinnen und Nutzer, das gut durchschaubar ist. Zudem könnten die Preisstufen 1, 2, 2rd in einer Zone aufgehen. Für die jetzige Preisstufe 3 könnte dann gelten: Einzelfahrschein 2 Euro, allgemeines Monatsticket: 45 Euro, ansonsten die vorgeschlagenen Preise der jetzigen Preisstufen 1, 2, 2rd. Ergänzend könnte gelten: Fahrräder/Tiere kosten 1 Euro, die Fähre Reventloubrücke-Schwentinemündung wird kostenlos für Menschen mit und ohne Rad.

Die aktuelle bundespolitische Diskussion über die Stärkung des ÖPNV muss Kiel nutzen. Nur mit einem ausreichenden Angebot zu einem niedrigen Preis kann die Verkehrswende in Kiel gelingen.

Ratsherr Benjamin Raschke
SPD-Ratsfraktion

Ratsherr Arne Langniß
Ratsherr Dirk Scheelje
Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Ratsherr Marcel Schmidt
SSW-Ratsfraktion