Die Verwaltung wird beauftragt,
- im Foyer des Rathauses eine gut sichtbare Gedenktafel mit den Namen der Kieler Opfer der Deportation vom 6. Dezember 1941 zu installieren,
- mit der Deutsche Bahn AG Verhandlungen dahingehend aufzunehmen, eine um die Opfer der zweiten Deportation aus Kiel am 19. Juli 1942 ergänzte Tafel im Hauptbahnhof anbringen zu können.
2016 jährt sich zum 75. Mal der Termin, an welchem die erste Deportation von nach heutigen Kenntnissen 38 Kieler Jüdinnen und Juden von insgesamt 41 Personen1 stattfand. Ziel dieses Transportes war das Konzentrationslager „Jungfernhof“ (Jumpravmuiza) bei Riga im „Reichskommissariat Ostland“. Diese Menschen wurden zwei Tage zuvor im Luftschutzkeller des Rathauses (heute Druckerei) interniert. Somit zählt auch dieses zu den authentischen Tatorten. Daran soll in Zukunft dauerhaft mit einer Gedenktafel erinnert werden.
Diesem folgte eine zweite Deportation von 37 Jüdinnen und Juden, darunter 9 Kielerinnen und Kieler, ins Ghetto Theresienstadt. Um an die Opfer dauerhaft öffentlich zu erinnern und zum Eintreten gegen jede Form von Inhumanität und Intoleranz zu mahnen, stände es Stadt und Deutscher Bahn gut an, auch im Hauptbahnhof daran zu erinnern.
Die Deportationen waren Vorstufe zur Ermordung auch fast aller aus Kiel verschleppten Jüdinnen und Juden: Hatten die katastrophalen Bedingungen Kälte, mangelhafte Ernährung und sich rasch ausbreitende Krankheiten bereits in den ersten Wochen schon zum Tod von 800 Menschen in Jungfernhof geführt, wurden am 26. März 1942 1700-1800 Menschen, vor allem ältere Männer, Frauen und Kinder, im Bikernieki-Wald (Hochwald bei Riga) durch Massenerschießungen getötet („Aktion Dünamünde“). Etwa 90 % der aus Schleswig-Holstein stammenden Jüdinnen und Juden fielen diesem Verbrechen zum Opfer. Lediglich fünf von hier stammende Deportierte erlebten eine Befreiung, davon zwei aus Kiel.
Von den 1942 aus Schleswig-Holstein nach Theresienstadt gebrachten 134 Menschen wurden 126 ermordet, davon 73 im Ghetto selbst sowie 53 in den Vernichtungslagern Treblinka, Auschwitz und Maly Trostinez bei Minsk.
1925 hatte die jüdische Gemeinde 600 Mitglieder, dies entsprach 0,3 % der Kieler Bevölkerung. Durch die Reichspogromnacht 1938 und die Deportationen seit 1941 wurde dieses Zentrum jüdischen Lebens in Schleswig-Holstein nahezu vollständig zerstört: Insgesamt wurden 240 Jüdinnen und Juden nachweislich Opfer der NS-Verfolgung. 1946 lebten nur noch 36 Jüdinnen und Juden in der Stadt.
Ratsfrau Ingrid Lietzow
SPD-Ratsfraktion
Ratsherr Dirk Scheelje
Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
Ratsherr Marcel Schmidt
SSW-Ratsfraktion
1 Goldberg, Bettina: Die Deportation nach Riga-Jungfernhof am 6.Dezember 1941, S. 483; in dies.: Abseits der Metropolen. Die jüdische Minderheit in Schleswig-Holstein, Neumünster 2011