Die Ratsversammlung hat in ihrer Sitzung am 17. Januar eine Diskussion über die Rolle Paul von Hindenburgs aufgegriffen, die gegenwärtig in zahlreichen deutschen Städten geführt wird. Sie macht sich an der Frage fest, ob der ehemalige Reichspräsident Paul von Hindenburg auch zukünftig Namensgeber von Straßen sein soll oder nicht. Die Debatten hierüber werden in der veröffentlichten Meinung der jeweiligen Orte zum Teil kontrovers geführt.
Es ist kein Zufall, dass sie derzeit an so vielen Orten gleichzeitig geführt wird. Die neusten zeitgeschichtlichen Forschungen, allen voran die anerkannte Biografie des Historikers Wolfram Pyta, zeichnen ein anderes Bild der Person Hindenburgs, als es etwa noch in der Mitte der achtziger Jahre Standard war: Trotz seines hohen Alters ist er nach der Quellenlage bis zu seinem Ableben im vollen Umfang Herr seines Handelns gewesen. Dies widerlegt die Legende vom verdämmernden Reichspräsidenten, der in entscheidenden historischen Momenten lediglich der Ausführer einer ihn umgebenden Kamarilla war. Wir als Gesellschaft müssen uns im Lichte dieser neuen Erkenntnisse fragen, ob wir dieser historischen Figur weiterhin Ehrungen in Gestalt der ihm am 20. Juli 1933 verliehenen Ehrenbürgerwürde und der Benennung einer der prominentesten Straßen in dieser Stadt zugestehen wollen. Aus unserer Sicht bedarf es einer neuen Erörterung, ob die Person Hindenburg weiterhin Bestandteil unserer städtischen Erinnerungskultur sein soll, und einer Beteiligungsmöglichkeit aller Kielerinnen und Kieler, die an diesem Thema interessiert sind – weil es nicht um einen Bildersturm von oben gehen kann. Deshalb haben wir beschlossen, einen solchen auf fachlichen Grundlagen aufbauenden Diskussionsprozess einzuleiten, der allen Interessierten die Gelegenheit verschafft, sich in diese Frage einzubringen. Und wir sehen nun auch den Zeitpunkt für eine Bestandsaufnahme in Kiel gekommen, welche weiteren Benennungen der Vergangenheit als Denkmäler in einer demokratischen Gesellschaft nicht mehr geeignet sind.