Sehr geehrte Frau Stadtpräsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
Es liegt ein ereignisreiches Jahr hinter uns. Beim Blick auf das Jahr 2010 fällt auf, dass wir uns streiten können wie die Kesselflicker – manchmal frage ich mich sogar, ob das Ausmaß der Diskussionen dem Thema noch gerecht wird. Aber das ist eine andere Angelegenheit.
Es fällt aber doch auch auf, dass (fast) die gesamte Ratsversammlung zusammensteht, wenn es drauf ankommt. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Direkten Demokratie, der Linken, der FDP und der CDU: Ich bedanke mich bei Ihnen nicht nur für den politischen Streit, den wir miteinander ausfechten. Ich bedanke mich in besonderer Weise bei Ihnen dafür, dass wir es gemeinsam geschafft haben zu erkennen, an welchen Stellen sich das „Sprechen mit einer Stimme“ für unsere Heimatstadt, für unser Kiel auszahlt.
Dazu zwei Beispiele:
1. Die Kieler Ratsversammlung hat nach einigen Umwegen die Zusammenarbeit mit der MVV Energie AG gefunden – die Landeshauptstadt Kiel hält aktuell nur noch 49 Prozent an den Kieler Stadtwerken. Mittlerweile besteht diese Zusammenarbeit seit über sechs Jahren.
Gemeinsam mit dem Mannheimer Partner ist es gelungen, die Marktfähigkeit der Stadtwerke Kiel besser zu optimieren, als es uns allein gelungen wäre. Doch dann kam das Strategiekonzept „MVV 2020“ und – sozusagen in dessen Windschatten – das Umsetzungskonzept „Einmal gemeinsam“. Da schrillten die Alarmglocken. Plötzlich hatten wir nicht mehr das Gefühl, dass es um Zusammenarbeit auf Augenhöhe geht. Vielmehr gab es offenbar Zentralisierungsbestrebungen; wichtige Steuerungsfunktionen sollten nach Mannheim verlegt werden; die Stadtwerke Kiel drohten zu einer Außenstelle von Mannheim zu werden; die Regionalität schien gefährdet zu sein. Es sollte wohl nur noch „Einmal gemeinsam“ und danach alles nach der Mannheimer Pfeife gehen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich sage Ihnen: das entschlossene und geschlossene Vorgehen der Kieler Ratsversammlung hat in Mannheim Eindruck gemacht und immer wieder für Bewegung gesorgt. Erst nach unserer ersten Intervention in der Ratssitzung, mit der wir den Erhalt der Eigenständigkeit der Stadtwerke Kiel gefordert haben und uns gegen eine
einseitige Verlagerung von Aufgaben und Arbeitsplätzen nach Mannheim gewandt haben, ist bei der MVV Dialogbereitschaft zu erkennen gewesen. Und es war wiederum die Ratsversammlung, die in ihrer Septembersitzung zunächst mit dem Warnschuss, das Projekt komplett von der Tagesordnung der Aufsichtsratssitzung zu nehmen, und dem dann verabschiedeten Fünf-Punkte-Papier die inhaltlichen Eckpfeiler eingezogen hat. Die letzten
Punkte haben wir erst wieder im Vorfeld der November-Ratsversammlung hinbekommen und können jetzt sagen: Wir haben uns in allen strittigen Punkten durchgesetzt.
Wir haben die Entscheidungen einstimmig getragen und wir haben unser gemeinsames Vorgehen auch transparent gemacht.
Nur durch dieses konzertierte Vorgehen sind wir so erfolgreich gewesen. Dafür nochmals vielen Dank. Mein besonderer Dank gilt aber an dieser Stelle auch den stillen politischen Helfern im Hintergrund in unseren Geschäftsstellen. Wir wissen zu schätzen, was Sie für unsere Arbeit hier in der Ratsversammlung alles vorbereiten und welche Wege Sie ebnen. Vielen Dank!
2. In der März-Sitzung der Ratsversammlung habe ich an genau dieser Stelle einen sehr bewegenden Moment erlebt. Wir haben gemeinsam eine Resolution verabschiedet, mit der wir unsere Solidarität mit dem Bündnis gegen den Naziaufmarsch am 27. März in Lübeck zum Ausdruck gebracht haben.
Hier zu stehen und zu spüren, von links bis rechts, von der Direkten Demokratie und der Linken, über SPD, Grüne und SSW bis zu FDP und CDU getragen zu werden, war für mich überwältigend und muss unserer Gesellschaft genug Kraft und Zusammenhalt geben, damit wir auch zukünftig nicht Gefahr laufen, dem unsäglichen Geschwätz von der Errichtung einer
„Volksgemeinschaft“ in einem neuen „Deutschen Reich“ zu erliegen. Ich danke Ihnen allen für diese Geschlossenheit.
Mögen wir uns in der Bewertung im Umgang mit Neonazis auch im Detail unterscheiden, so sind wir uns doch im Kern einig: Wir geben im Kampf gegen braunes Gedankengut keinen Zentimeter preis!
Wir sind uns einig: Wir stellen uns in demokratischer Einigkeit gegen jede Form von Extremismus, der auf die Abschaffung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung abzielt.
Wir stehen für ein friedliches, demokratisches und solidarisches Schleswig-Holstein. Der beste Weg, mit der sich unsere Gesellschaft schützen kann, ist Bildung. Schützen vor rechtsextremem Gedankengut; Schützen aber auch vor Perspektivlosigkeit. Nur durch Bildung schaffen wir mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Bildung ist der Schlüssel zum sozialen Aufstieg.
Und obwohl das so ist, ist der Bildungsbereich die größte Baustelle – auch in Kiel. Ich kann aber – nicht ganz ohne Stolz – hinzufügen, dass es in Kiel nicht nur negativ zu verstehen ist, wenn ich von einer Baustelle spreche. Im Gegenteil: Mit dem Haushalt 2011 beschließen wir ein weiteres gutes Jahr für die Bildung. Das ist auch bitter nötig:
• In den beruflichen Schulen haben wir den Schülerinnen und Schülern bisher zugemutet, unter teilweise katastrophalen Umständen mit zugenagelten Fenstern und Schimmel an den Wänden zu lernen. Das ist eine Schande. Deshalb haben wir bereits 2009 mit der Gründung der Regionalen Berufsbildungszentren ein gewaltiges Neubau- und Sanierungsprogramm mit
einem Volumen von insgesamt über 100 Millionen Euro aufgelegt. In 2011 sind 4,3 Millionen Euro städtische Mittel eingeplant.
• „Vorrang für Bildung“ bedeutet für uns auch Investitionen im Schul- und
Kindertagesstättenbereich in Höhe von fast 10 Millionen Euro. Davon sind 1,3 Millionen Euro für den Umbau und das Inventar von Fach- und Klassenräumen für die Profiloberstufe, 2 Millionen Euro für den Umbau der Friedrich-Junge-Schule im Stadtteil Schreventeich, weitere 1,5 Millionen Euro für einen Ersatzbau für die städtische Kindertageseinrichtung im Stadtteil
Russee und 0,9 Millionen Euro für die städtische Kindertageseinrichtung Schützpark im Stadtteil Südfriedhof sowie insgesamt 1,6 Millionen Euro an Investitionszuwendungen für die freien Träger von Kindertagesstätten vorgesehen.
• Im Rahmen des Konjunkturpaketes II haben wir insgesamt – also inklusive des städtischen Eigenanteils – über 16 Millionen Euro in die Bildungsinfrastruktur gesteckt. Über 30 teilweise umfangreiche Baumaßnahmen werden umgesetzt.
• Wir werden in 2011 einen Nettoaufwand von 53,5 Millionen Euro im Bereich der Kindertagesstätten und von 55,7 Millionen Euro im Bereich der Schulen haben. Über 100 Millionen Euro insgesamt. Das ist eine Steigerung von über 8 Millionen Euro.
• Insgesamt steigern wir den Ansatz bei der Kindertagsbetreuung von 62 Millionen Euro im Jahr 2010 auf 70 Millionen Euro im Jahr 2011.Damit werden wir dann 2013 eine Versorgungsquote bei Kindern unter drei Jahren von 35 % erreichen, bei Elementarkindern von 97 % und bei Grundschulkindern von 50 %. Damit ist für uns das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Wir wollen die Versorgungsquote insbesondere bei Kindern unter 3 Jahren noch
weiter steigern.
• Die Schulsozialarbeit wird weiter ausgebaut. In 2011 kommen zunächst zwei weitere Stellen hinzu, weitere sollen folgen.
Einen starken Bildungsaspekt hat auch das neue Sport- und Freizeitbad, das in 2011 mit vier Millionen Euro zu Buche schlägt. Denn die aktuelle Schwimmfläche in Kiel reicht nicht einmal aus, um flächendeckend Schwimmunterricht an den Kieler Schulen anbieten zu können. Eine Renovierung von Lessinghalle und Schwimmhalle Gaarden würde in etwa gleichviel kosten wie ein Neubau. Das Problem der zu geringen Schwimmfläche wäre damit nicht gelöst. Mit dem interfraktionell getragenen Neubau werden wir das jetzt hinbekommen. In diesem Zusammenhang: Wir gratulieren den drei Architekturbüros zum Gewinn der ersten drei Preise.
Alle drei Entwürfe werden jetzt genauer unter die Lupe genommen. Dann werden wir sehen, welchen der drei Entwürfe wir umsetzen werden.
Wir freuen uns, mit Ihnen das Sport- und Freizeitbad bauen zu können.
All das ist ein gewaltiger finanzieller Kraftakt. Wir alle wissen, dass die Finanzausstattung der Kommunen völlig unzureichend ist. Es besteht
nur Uneinigkeit darüber, wie dieses Problem gelöst werden kann. Eines steht aber fest: Die „Finanzkrise der Kommunen“ ist eine stille und durch die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise allenfalls verschärfte, aber nicht verursachte Krise. Die „Finanzkrise der Kommunen“ ist strukturell bedingt. In der Kneipe gilt: „Wer bestellt, zahlt auch die Zeche!“ In unseren Kommunen erleben wir hingegen, dass Bund und Land den Kommunen mehr und
mehr aufbürden, sich andererseits aber immer häufiger aus der finanziellen Verantwortung stehlen – mal durch die Hintertür, mal auf direktem Weg. Es darf doch nicht wahr sein, um nur ein kleines Beispiel anzuführen, dass wir durch einen Ergänzungsantrag der Kooperation 25.000 Euro in den Haushalt stellen müssen, damit wir die Schulen in die Lage versetzen, die
Mahlzeiten für Schülerinnen und Schüler, die über das Bildungspaket finanziert werden sollen, überhaupt ausgeben zu können. Das Prinzip der Konnexität darf nicht ausgehöhlt werden!
Andernfalls wird das dramatische Defizit der Landeshauptstadt Kiel weiter anwachsen. Vor einem Jahr gingen wir für 2011 noch von einem Defizit von 114,3 Millionen Euro aus. Nach gewaltigen Anstrengungen in unserer Verwaltung sah der erste Entwurf für 2011 98,1 Millionen vor. Mittlerweile wird das Defizit „nur“ noch 87,1 Millionen Euro betragen. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen wird deutlich: Wir als Kommunen werden uns nicht aus der Krise raussparen können. Das entbindet uns jedoch nicht von der Pflicht, unseren Anteil zu einer Konsolidierung des Haushaltes beizutragen.
Eines sage ich aber ganz deutlich: Bei allen Kürzungsbestrebungen wird es eine Kürzung bei den Leistungen, die Kielerinnen und Kieler dringend im täglichen Leben benötigen, mit uns nicht geben!
In diese Kategorie fällt insbesondere ein Antrag der CDU-Fraktion. Insgesamt liegen von der CDU über 20 Anträge vor – eine inhaltliche Substanz können wir maximal bei zwei Anträgen erkennen – alles andere ist polemisches Geschwafel.
Zum einen handelt es sich um den Antrag, die beiden zusätzlichen Sozialpädagogenstellen an Schulen, die zunächst für 2011 vorgesehen sind, wieder zu streichen. Diesem Antrag zunächst als Begründung: „erfolgt mündlich“ hinzuzufügen, ist schon eine Frechheit und soll wohl dazu
dienen, Herr Ehmke, zu verschleiern, dass Sie sich nicht trauen, Ihre wahren auf soziale Kälte, auf die „Leistungsgesellschaft“ gerichteten Gründe auch noch aufzuschreiben. Sie können von Glück reden, dass Ihr unbegründeter Antrag überhaupt zur Beratung zugelassen wurde. Er ist aber natürlich nicht nur formal unbegründet gewesen, er ist es in der Sache erst recht – und
zwar immer noch. Denn wir wissen doch, welchen großen Beitrag zum Lernerfolg aller Schülerinnen und Schüler die Schulsozialarbeit leistet. Darüber sind wir uns doch alle einig!
Ihr Antrag zeigt doch in eine deutliche Richtung: Wir sparen, koste es was es wolle. Es gibt nur eines, das teurer ist, als im Bereich der Bildung und damit auch bei der Schulsozialarbeit zu investieren und die Lernbedingungen der Schülerinnen und Schüler kontinuierlich zu verbessern. Teurer als diese Investitionen in die Zukunft unserer Kinder ist es nämlich, es nicht
zu tun.
Das letzte Thema, das ich kurz aufgreifen will, ist die Erfolgsgeschichte des neuen Dezernats für Arbeit und Wirtschaft. Es ist unbestritten, dass wir mit Ute Berg eine leistungsstarke Dezernentin haben – ja sogar so erfolgreich, dass sie in Kürze nach Köln wechseln wird – ebenfalls als Wirtschaftsdezernentin. Wir bedauern den Wechsel sehr, wünschen Dir, liebe Ute, aber auch gleichzeitig alles Gute am Rhein! Hoffentlich ist der Tausch der Kieler Woche, dem größten Segelereignis der Welt, gegen den Kölner Karneval auf Dauer für Dich persönlich die richtige Wahl.
Wir können feststellen, dass das Dezernat für Arbeit und Wirtschaft eine dermaßen überzeugende Idee ist, dass mittlerweile sogar die CDU ihren Widerstand dagegen aufgegeben hat. Diesen politischen Erfolg haben wir bereits errungen und den können Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, auch nicht mehr zurückdrehen.
Für diese Einsicht herzlichen Dank!
Egal, wer am Ende eines geordneten Auswahlverfahrens die Nachfolge von Ute Berg antreten wird: Wir werden uns das Geplärre der CDU, dass das Dezernat für Arbeit und Wirtschaft überflüssig sei, nicht mehr anhören müssen.
Ich lade alle Fraktionen herzlich ein, sich an Auswahlverfahren für neu zu besetzende Dezernentenstellen konstruktiv zu beteiligen. Wir werden ohne Vorfestlegungen in die Auswahlverfahren gehen und dann am Ende die Besten auswählen und der Ratsversammlung zur Wahl vorschlagen.
Wie bei allen anderen Themen, die wir hier im Rat und in den Ausschüssen beraten, geht es auch hier darum, das Beste für unsere Stadt zu erreichen.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen kurzweilige und konstruktive Haushaltsberatungen.